Turniere

"Live-Sport braucht Zuschauer"

Sandra Reichel hat im letzten Jahr trotz Corona zwei Profiturniere veranstaltet, dieses Jahr könnte ein weiteres dazukommen. Im Interview gibt sie uns spannende Einblicke zu diesen und weiteren Themen.

Sandra Reichel hat im vergangenen Jahr das einzigartige Kunststück vollbracht, trotz der Corona-Pandemie zwei Profiturniere zu veranstalten. Eines in Deutschland, eines in Österreich: die Hamburg European Open und das Upper Austria Ladies Linz. In diesem Jahr könnte ein weiteres Turnier hinzukommen, denn seit kurzem ist die Reichel Unternehmensgruppe im Besitz einer weiteren Lizenz für ein WTA-Damenturnier, das ebenfalls in Hamburg ausgetragen werden soll. Wir sprachen mit ihr über die Unterschiede zwischen der WTA- und ATP-Tour, ihr Engagement an der Elbe und das neue DTB-Präsidium ...

... doch zunächst bitte ein Wort zu den Australian Open ...
Reichel: Von Naomi Osaka bin ich schwer begeistert. Sie ist das neue 'role model¿ im Damentennis, ein Superstar mit einer tollen Vorbildfunktion für die Jugend. Sie spricht die jungen Leute total an und trifft den Zeitgeist, das gefällt mir sehr. Bei den Männern hätte ich Daniil Medvedev den Sieg gegönnt, aber Novak Djokovic war einfach mal wieder nicht zu schlagen.

War Osaka schon einmal bei einem Ihrer Turniere am Start?
Nein, bislang noch nicht. In Linz würde sie wohl nur dann spielen, wenn sie noch Punkte für das Masters bräuchte. Und Hamburg wird wegen des Termins wohl auch schwierig, weil sie ja bei Olympia in Tokio dabei sein wird.

Wann wird denn das neue Damenturnier in Hamburg ausgetragen? Gibt es ein parallel stattfindendes Turnier mit den Herren?
Zunächst einmal möchte ich sagen, dass wir mega stolz sind, dass es uns gelungen ist, eine Damenlizenz für Hamburg zu bekommen. Letztmals haben die Damen 2002 am Rothenbaum aufgeschlagen - mit der 18-jährigen Kim Clijsters als Gewinnerin! Das Damenevent in Hamburg ist legendär. Steffi Graf als Rekordsiegerin hat dort sechs Titel in Serie gewonnen! Hinter dem genauen Termin in diesem Jahr steht noch ein Fragezeichen. Für ein kombiniertes zeitgleiches Event benötigen wir eine besondere Genehmigung von der ATP. Alternativ gibt es die Varianten, dass die Turniere nacheinander stattfinden - also "back to back" oder aber, was auch attraktiv sein könnte, dass es eine Überlappung um einige Tage gibt. Alles natürlich unter der Voraussetzung, dass es der Verlauf der Corona-Pandemie zulässt. Wir müssen sehr vorsichtig planen, wie wir aus dem Vorjahr wissen.

Im vergangenen Jahr haben Sie die Hamburg European Open vom Juli in den September verlegen können. Wie schwierig gestaltete sich die Organisation dieses Events - im Vorfeld und während des Turnierverlaufs?
Wir mussten unsere Planungen quasi wöchentlich mehrmals ändern, immer abhängig vom Verlauf der Pandemie und den behördlichen Verordnungen. Ich weiß gar nicht mehr, wie viele Szenarien und Budgetvarianten ich durchgespielt habe. Aber wir wollten erst dann aufgeben, wenn es wirklich keine Chance mehr gegeben hätte. Unsere Partner, vor allem die Stadt Hamburg, der Deutsche Tennis Bund, der Club an der Alster und Mäzen Alexander Otto, der die Stadionmodernisierung mit acht der benötigten zehn Millionen Euro unterstützt hat - wir waren mit allen im ständigen Austausch und alle haben uns den Rücken gestärkt. Das war sehr wichtig für die Entscheidung, immer weiter zu machen.

Und Sie konnten dann immerhin ein Turnier vor Zuschauern ausrichten.
Ja, am Ende waren 2.300 Zuschauer erlaubt, weil das die Stadionkapazität zuließ und wir gemeinsam mit der Gesundheitsbehörde der Stadt Hamburg ein sehr gutes Hygienekonzept erarbeitet hatten. Aber klar, es herrschte während des Turniers ein sehr großer Druck, dass vom gesundheitlichen Aspekt her alles gut läuft - da zuckt man bei jedem Klingeln des Telefons zusammen.

Wenig später beim Damenturnier in Linz gab es dann leere Ränge ...
Ja, das war ein Geisterturnier. Sehr schade und seltsam, aber wir haben uns im Laufe der Woche daran gewöhnt. In diesem Jahr möchte ich das allerdings nicht noch einmal erleben. Live-Sport braucht Zuschauer.

Bleiben wir beim Vergleich zwischen Hamburg und Linz - zwischen der ATP- und der WTA-Tour. Worin liegen die größten Unterschiede?  
Im Covid-Jahr 2020 war die WTA sicherlich deutlich strenger und restriktiver unterwegs. Das ist auch Ausdruck dessen, dass die WTA mehr auf ihre Spielerinnen aufpasst, sich mehr um sie kümmert und auch beschützt. Das ist gerade bei den jüngeren Spielerinnen sicher nicht verkehrt.

Barbara Rittner hat im letzten mybigpoint JOURNAL gefordert, dass sich die WTA und ATP mehr annähern sollten. Unterstützen Sie diesen Gedanken?  
Auf jeden Fall und ich weiß, dass hinter den Kulissen daran gearbeitet wird. Andrea Gaudenzi, der neue Vorsitzende der ATP, hat schon viel investiert, um Synergien zwischen den beiden Spielervereinigungen zu schaffen. Es gibt die ITF, die ATP, die WTA, die Grand-Slam-Turniere - und alle haben ihre eigenen Regeln. Da kennt sich doch kaum noch jemand aus. Daher ist meine Meinung ganz eindeutig: Wir müssen die Kräfte bündeln und alles unter einem einzigen Dach zusammenfassen!

Eine klare Aussage! Blicken wir abschließend noch kurz auf den Deutschen Tennis Bund, der seine Geschäftsstelle am Hamburger Rothenbaum hat, dem Austragungsort der Hamburg European Open. Was erwarten Sie vom neuen DTB-Präsidium?
Wenn für uns alle der Sport an erster Stelle steht, dann werden wir auch mit dem neuen Präsidium sehr gut zusammenarbeiten. Wir wollen dazu beitragen, dass die Hamburg European Open das Aushängeschild im deutschen Tennissport sein werden - mit einem kombinierten Damen- und Herrenturnier und mit der Unterstützung durch den DTB wird uns das gelingen.