Experten DTB

„Nur noch Golf spielen – das ist zu wenig“

Im ausführlichen Interview gibt Klaus Eberhard, der am 1. Juli als Sportdirektor beim DTB ausgeschieden ist, interessante Einblicke in die aktuelle Turnierszene in Deutschland, die Entwicklung des DTB und vieles mehr – lesenswert!

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Irgendwie kann man sich den Deutschen Tennis Bund ohne Klaus Eberhard nicht vorstellen. Seit 2005 war der Berliner als DTB-Sportdirektor hauptamtlich für den gesamten Leistungssportbereich verantwortlich. Zuvor war er Kapitän des deutschen Fed-Cup-Teams, angefangen hat er seine DTB-Karriere 1999 als Jugendtrainer der U18. Doch der ehemalige Profi und Davis-Cup Spieler hat den Schläger an die Wand gehängt – Ruhestand mit 64 Jahren. Am 1. Juli schied er aus, jetzt muss der DTB tatsächlich ohne ihn auskommen. Bei den bett1open in Berlin baten wir Eberhard um eine Bilanz seines Schaffens – ein Gespräch über seine wichtigsten Errungenschaften, die prägendsten Personen und das, was noch kommen wird.

Klaus Eberhard, die bett1open finden nicht nur in deiner Heimatstadt Berlin statt, sondern auch in deinem Club LTTC Rot-Weiß – was bedeutet dieses Top-Turnier für dich persönlich?

Es ist sehr schön und wichtig, dass es wieder ein Turnier dieser Größenordnung in Berlin gibt. Man denkt ja bei diesem Stadion immer an die ganz großen Zeiten um Steffi Graf zurück, als hier wirklich ein tolles Tennisfest stattgefunden hat. Nachdem es durch die Pandemie schwierig war, die Veranstaltung in den vergangenen beiden Jahren in Gang zu bringen, hoffe ich, dass sich das Turnier nun etabliert hat und Anschluss an die Vergangenheit findet.

Wie bewertest du die Turnierszene in Deutschland auf WTA- und ATP-Ebene grundsätzlich?

Es hat sich gut entwickelt, vor allem, was die Rasenturniere anbelangt. Mit Stuttgart, Berlin, Bad Homburg und natürlich Halle sind wir da sehr gut aufgestellt. Die BMW Open gibt es gefühlt schon immer und man hat den Eindruck, als würde das Turnier stets größer. Das gleiche gilt für den Porsche Tennis Grand Prix. Hamburg entwickelt sich sehr gut, auch wenn es direkt nach Wimbledon ausgetragen wird. Was aber ganz klar fehlt, ist ein 1000er-Turnier – das brauchen wir wieder in Deutschland.

Und wie sieht es im Jugendbereich aus?

Da haben wir gerade aus der Pandemie heraus viel unternommen und sind inzwischen mit rund 15 Turnieren sehr gut aufgestellt bis hin zu einem Grade-A-Turnier in Offenbach, das punktemäßig wie die Grand-Slam-Turniere bewertet wird. Jetzt wäre es schön, wenn zukünftig unsere Jugendlichen dort erfolgreich auftreten …

Du wirst die Entwicklung bald aus der Ferne beobachten – nach über 20 Jahren neigt sich die Ära Eberhard dem Ende entgegen. Wie hat sich der DTB in deinen 17 Jahren als Sportdirektor entwickelt?

Wir haben uns auf finanzieller Ebene lange Jahre bewegt wie ein mittlerer Landesverband. Das war über zehn, zwölf Jahre ein großes Defizit. Nachdem wir 2017/18 endlich in die Förderung des Bundes aufgenommen worden sind und sich im DTB weitere Einnahmequellen ergeben haben, hat sich die Situation deutlich verbessert. Heute sind wir dadurch ganz anders aufgestellt als zu Beginn meiner Tätigkeit.

Was trägt deine ganz persönliche Handschrift?

In meiner Position macht man nichts alleine, sondern immer mit Partnern. Eine der ersten Entscheidungen, an denen ich beteiligt war, war Barbara Rittner als Fed-Cup-Chefin zum DTB zu holen. Sie hat einen sehr guten Job gemacht und ist immer noch beim DTB tätig. Auch dass Michael Kohlmann Davis-Cup-Kapitän ist, habe ich maßgeblich unterstützt. Die Besetzung der Betreuerteams der beiden Nationalmannschaften und der ausgesprochen gute Teamgeist, der dort herrscht – darauf bin ich wirklich stolz. Zuletzt hat man das wieder beim Davis-Cup-Sieg in Brasilien gesehen, aber auch bei der Niederlage der Damen in Kasachstan. Die Spielerinnen und Spieler sind bei diesen Veranstaltungen immer wieder sehr gerne dabei. Auch am personellen Ausbau der vier Bundesstützpunkte, dem langwierigen Weg in die Aufnahme der Bundesförderung und der Besetzung vieler Mitarbeiter in der Geschäftsstelle habe ich mitgestaltet. Wir haben da eine sehr fähige, motivierte Mannschaft in Hamburg.

Welches waren die größten sportlichen Erfolge, an denen du beteiligt warst?

Wenn ich Sascha Zverev verfolge, hat das schon etwas Besonderes, auch wenn ich an seiner Entwicklung nicht direkt beteiligt bin. Ich kenne ihn, seit er vier oder fünf Jahre alt war, die Eltern, vor allem seinen Vater, eigentlich schon immer. Seine Karriere bis hin zur absoluten Weltklasse zu verfolgen, das berührt mich tatsächlich sehr. Der Olympiasieg in Tokio war sicherlich überragend. Die zwei Wochen mit dem Davis-Cup-Team letztes Jahr in Innsbruck und Madrid und das Erreichen des Halbfinals ohne Sascha war nur mit diesem Teamgeist aller zu erreichen. Aber auch Angie Kerber, die mit 16 erstmals die Jugendcups für den DTB mitgespielt hat, möchte ich auf jeden Fall nennen. Drei Grand Slams zu gewinnen und die Nr. 1 der Welt werden, dazu die Silbermedaille in Rio sind einmalige Erfolge und auch Erlebnisse. Vor allem durch Angie konnten wir auch 2017 das Fed Cup Finale erreichen. Wobei das alles keine persönlichen Erfolge von mir sind – das könnte man sich nur als Trainer auf die Fahnen schreiben. Ich bin Teil eines großen Teams, zwar in verantwortlicher Position, aber eben im Team.

Und Enttäuschungen?

(Überlegt lange) Wenn ich ehrlich bin, gab es da kaum welche. Eine Sache allerdings ist mir schon als kleines Desaster in Erinnerung geblieben – die Davis-Cup-Begegnung 2014 in Frankfurt gegen Spanien, als wir einen überragenden Sieg gefeiert und 3:0 geführt haben, aber am Sonntag kein Spieler mehr für das bedeutungslose zweite Einzel auflaufen wollte. Da stimmte der Teamgeist leider einmal nicht.

Welche Menschen haben dich geprägt?

Ich weiß nicht ob „geprägt“ das richtige Wort ist. Es gibt eine Reihe von Menschen, die ich in dieser langen Zeit kennengelernt habe und sehr respektiere. Das sind vor allem der ehemalige DTB-Präsident Dr. Georg von Waldenfels und Boris Becker. Waldenfels, der mich eingestellt hatte, war für mich anfangs eine sehr große Hilfe, auch wenn er selbst eine sehr schwierige Amtszeit zu bewältigen hatte. Und wie Boris sich in das Davis-Cup-Team eingebunden hat – sehr uneigennützig, sehr zurückhaltend, und dennoch mit diesem unbändigen Siegeswillen. Auch bei der Arbeit mit den Nachwuchstalenten war er unglaublich engagiert. Er war für alle eine Autorität und für mich auch ein Freund. Es waren sehr schöne drei Jahre mit ihm im Team. Nicht vergessen möchte ich in dem Zusammenhang meinen verstorbenen Kollegen Eric Krzemien, mit dem ich fast meine gesamte Zeit beim DTB zusammengearbeitet habe. Er war der loyalste, verlässlichste Kollege, den ich mir vorstellen konnte.

Stehst du mit Boris Becker aktuell in Kontakt?

Nein. Ich habe zuletzt vor einigen Monaten mit ihm gesprochen, seitdem leider nicht mehr. Ich hoffe sehr, dass es ihm einigermaßen gut geht. Ich glaube aber auch, dass er stark zurückkommen und im Tennissport wieder eine Rolle spielen wird.

Was hat dich nun dazu bewogen, in diesem Jahr deine Karriere beim DTB zu beenden?

Der Entschluss ist während der Pandemie gereift. Ich war viel im Home-Office und bin nicht gereist. Das fand ich eigentlich ganz gut so – ich, der Reisejunkie, der sonst immer durch ganz Deutschland gefahren ist! Ich bin gesund, treibe gerne Sport, habe einen schönen Freundeskreis hier in Berlin, das möchte ich nun alles genießen und freue mich darauf, nicht immer absagen zu müssen wie bislang.

Wirst du jetzt Hobbygärtner?

Nein, das sicher nicht (lacht). Ich werde dem Tennissport nach einer gewissen Auszeit treu bleiben. Einige Gespräche habe ich bereits geführt, aber das hat Zeit. Nur noch Golf spielen, das ist zu wenig (lacht).

Veronika Rücker ist deine Nachfolgerin, wie siehst du diese Personalie?

Ich denke, dass der DTB eine gute Entscheidung getroffen hat. Sie kommt aus dem Tennis, hat ehrenamtlich und auch über ihre Tätigkeit in der Führungsakademie mit dem Tennissport viel zu tun gehabt. Daher kennen wir uns schon sehr lang. Ich habe schon einige Gespräche mit ihr geführt und habe einen hervorragenden Eindruck von ihr. Sie wird den Job sicher anders interpretieren als ich, aber das ist normal. Sie wird gegenüber dem Deutschen Olympischen Sportbund und dem Bundesinnenministerium ihre große Erfahrung einbringen. Und die Nähe zu den Sportlern wird sie sich im Laufe der Zeit sicher auch bestens aufbauen.

Wie lange bist du denn nun noch an Bord?

Veronika Rücker hat meinen Job am 1. Juli übernommen. Aber solange unsere Davis-Cup-Mannschaft im Wettbewerb ist, bin ich da noch dabei. Zunächst im September in Hamburg, und dann hoffentlich auch in der Endrunde Ende November in Malaga. Dieses Sahnehäubchen noch in diesem Jahr zu Ende zu führen, hat mir der DTB angeboten, und ich habe das sehr gerne angenommen.

Was ist dein größter Wunsch für dich persönlich?

Gesund bleiben – das klingt banal, aber ist halt das Wichtigste. Und dass alles so kommt, wie ich mir das vorgestellt habe. Angefangen von einigen Reisen mit meiner Lebensgefährtin. Im nächsten Jahr will ich dann die angesprochenen Projekte im Tennis angehen, aber auch meine Freizeit genießen.

Und was wünschst du dem DTB?

Der ist seit einigen Jahren gut aufgestellt. Wir stehen in der Öffentlichkeit deutlich besser da und sind als Verband in Deutschland und auch weltweit anerkannter, als wir das selbst manchmal einschätzen. Den Titel mit der Davis-Cup- oder der Billie-Jean-King-Cup-Mannschaft zu gewinnen, das allerdings wäre dem DTB wirklich zu wünschen!